Buchvorstellung: Flausen im Kopf, Waldschrat im Herzen

06:00

Kerry Greine und Ben Betram haben mit "Flausen im Kopf, Waldschrat im Herzen" wieder ein Gemeinschaftsprojekt an den Start gebracht, das mich sehr berührt hat.


Kurzbeschreibung:
Nach ihrem Studium zieht Sina für drei Monate aus München zu ihrem Vater. Die ländliche Idylle Schleswig-Holsteins soll der Ort sein, an dem Sina sich darüber klar werden will, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte.
In der Kneipe ihres Vaters lernt sie den eigenbrötlerischen Wolf kennen, der in einer kleinen Hütte im Wald wohnt und sich von den Bewohnern des Dorfes fernhält. Er spricht mit niemandem, bis Sina ihm eines Tages im Wald begegnet.
Ein Unfall bringt die beiden einander näher und Sina erfährt durch einen Zufall von Wolfs schwerem Schicksalsschlag. Von Tag zu Tag werden Sinas Gefühle für diesen undurchdringlichen Mann stärker, und sie beginnt, hinter die Fassade des mürrischen Waldschrats zu schauen. Als auch ihr eigenes Leben aus den Fugen gerät, ist er es, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht.
Aber reicht das aus? Ist Wolf in der Lage, wieder Vertrauen in andere Menschen zuzulassen?
Und kann er es schaffen, seine Mauern einzureißen und die Liebe, die Sina für ihn empfindet, zu erwidern?

Meinung:
Dieses Cover ist toll. Ich finde es passt perfekt zu der Geschichte und vor allem der Waldschrat ist perfekt getroffen. Auch der Klappentext macht Lust auf mehr und ich wurde nicht enttäuscht.
Sina finde ich einfach toll. Sie ist ganz anders als die meisten. Sie ist sehr emphatisch und kommt daher mit Wolf sehr gut klar. Und Wolf, ja der ist ein Fall für sich, aber trotz seiner abschreckenden Art ist er total toll und ein ganz besonderer Mensch. 
Und auch diesmal, wie in allen Büchern des Autoren Duos habe ich auch wieder Zitate gefunden, die mich sehr bewegt haben. Ein sehr wichtiges in dieser Geschichte ist: "Die Schwäche ist es, die uns menschlich macht, denn die Schwäche kommt von unseren Gefühlen." Ein sehr wichtiger Satz, der Wolf sehr zum Nachdenken bringt. Aber auch für Sina gibt es ein Zitat, das ihr in der Geschichte Kraft gibt: "Was du liebst, lass frei. Liebt es dich ebenfalls, wird es zu dir zurückkommen." Eine schwere Sache, die aber wirklich so ist. 
Diese wunderbare Story hat mich mal wieder in der Seele berührt. Ich konnte gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören und habe mit beiden gelitten und gehofft. Aber auch ein paar mal den Kopf über beide geschüttelt und hätte gerne eingegriffen um ihnen zu helfen, aber das ging ja nicht. 

Fazit:
Ein geniales Buch über einen Waldschrat und eine dusselige Großstadtkuh, die ich jedem, der es gerne dramatisch, aber auch romantisch mag nur empfehlen kann. 

Leseprobe:
Fliegender Diamant

Bereits seit über drei Stunden lag ich heute schon auf der Lauer. Fast bewegungslos und gut getarnt saß ich an dem kleinen Flusslauf, der sich direkt am Waldesrand befand und an dem ich vor einigen Wochen einen Eisvogel hatte fliegen sehen.

Zunächst glaubte ich damals, dass ich mich getäuscht hatte. Zumindest so lange, bis er erneut aus seinem Versteck gekommen und über das ruhige Gewässer geflogen war. Dieser Tag, besser gesagt, dieser türkisblau schimmernde Vogel war es, der dafür gesorgt hatte, dass ich seitdem fast täglich meine Zeit hier verbrachte.

Genau wie auch jetzt hatte ich schon viele Tage versteckt und mit meiner Fotokamera in den Händen an diesem Ort gesessen. Ich musste diesen fliegenden Diamanten einfach erneut zu Gesicht bekommen. Ihn mit meiner Kamera und dem großen Objektiv, das ich aufgesetzt hatte, einfangen. Warum ich es wollte? Ganz einfach. Er war etwas Besonderes. Etwas Kostbares. Diese wunderbare Schöpfung der Natur war wie ein ungeschliffener Diamant. Er war so, wie die Natur ihn erschaffen hatte. So, wie die Natur es für ihn vorgesehen hatte, lebte er sein Leben im Schatten jeglicher Zivilisation. Er war präsent. Allerdings nur für die Menschen, die ein Auge für das Wesentliche hatten. Alle anderen würden ihn niemals erleben dürfen.

Er war wie ein Wolf. Ja, auch wenn dieser Vergleich dem ersten Anschein nach hinkte, so fand ich doch, dass sie sich sehr ähnlich waren. Beide lebten in ihrer eigenen Welt und zeigten sich nur dann, wenn ihnen danach war. Nicht wie Rehe oder Hasen, die sich öffentlich den Spaziergängern präsentieren.

Bin ich auch zu einem Eisvogel geworden? Oder bin ich doch eher der Wolf? Ich konnte mir meine eigenen Gedanken nicht beantworten. Auf jeden Fall aber war ich kein Wildschwein und ein Reh sowieso nicht.

Wenn es nach den Menschen aus dem Dorf ginge, war ich der Wolf. Der unheimliche und mysteriöse Mann aus dem Wald. Der Waldschrat, der sich in einem alten Haus zurückgezogen hatte. Der Typ, der Kontakt zur Menschheit scheute und der ihnen Rätsel aufgab. Ja, genau wie ein Wolf eben. Einen Wolf kannte jeder und doch kannte ihn eigentlich auch niemand.

Oder bin ich doch wie ein Eisvogel? Schließlich zeige ich mich den Menschen nur, wenn mir danach ist! Erneut holten mich meine Gedanken ein und abermals schüttelte ich meinen Kopf, da auch dies eine Gemeinsamkeit und kein Unterschied zwischen dem Wolf und einem Eisvogel war.

Vielleicht lag es aber auch einzig und allein daran, dass ich selbst nicht wusste, wer ich eigentlich war. Wer ich sein wollte, das wusste ich allerdings schon, und doch hatte ich dieses Ziel noch längst nicht erreicht. Ich befand mich mitten auf meinem Weg. Auf meinem Weg, auf dem ich trotz meiner erst 37 Jahre schon viele Schicksalsschläge hatte verarbeiten müssen. Doch ich hatte diese inzwischen akzeptiert. Sie gehörten zu mir. Auch wenn ich einige von ihnen noch immer nicht verstanden hatte, versuchte ich, mit ihnen zu leben. Besser gesagt, mit ihnen umzugehen, da es nicht in meiner Macht lag, es zu ändern.


0 Kommentare

Blog-Archiv

Kontaktformular

Name

E-Mail *

Nachricht *